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Schuldnerberater kämpfen ums finanzielle Überleben

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Schwerin – Fördermittel für Sachkosten reichen nicht aus – Sie sollen Menschen vor oder aus der Pleite retten und müssen dabei jährlich selbst ums finanzielle Überleben ihrer Beratungsstellen kämpfen: die Schuldnerberaterinnen und -berater in Mecklenburg-Vorpommern. Der Kampf ums finanzielle Überleben wirkt sich dabei für die anerkannten geeigneten Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Mecklenburg-Vorpommern in den letzten Jahren immer stärker auf die Beratungspraxis und damit die Ergebnisse ihrer Arbeit aus. Darauf weist der Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung M/V e.V. hin. Der vom Träger zu erbringende Eigenanteil und die viel zu geringen Fördermittel für Sachkosten stellen die derzeit gravierendsten Probleme für die Beratungsstellen dar. Laut Förderrichtlinie des Landes M-V wird in der Schuldner- und Insolvenzberatung für die Vollzeitstelle einer Beratungsfachkraft nicht einmal die Hälfte der Sachkosten für einen Bildschirmarbeitsplatz eines Landesbediensteten (12.910 Euro) anerkannt, nämlich höchstens 6.136 Euro jährlich. Und dieser Betrag ist seit seiner Einführung im Jahr 1999 unverändert geblieben. Berücksichtigt man die jährliche Inflation der letzten 16 Jahre, hat dieser Betrag bereits ein Viertel seines Wertes verloren. Für die 31 Verwaltungskräfte (16,515 Vollzeitstellen) in den Beratungsstellen werden den Trägern der Einrichtungen darüber hinaus überhaupt keine Sachkosten zuerkannt. Die Kosten ihrer Bildschirmarbeitsplätze müssen anteilig (0,25 je 1,0 Beratungsfachkraft) von den 6.136 Euro mit abgedeckt werden.

Negative Auswirkungen auf die Beratungspraxis spürbar

Der Überlebenskampf in den anerkannten Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen wird regelmäßig im Frühjahr eingeläutet, wenn das Geld in den Einrichtungen knapp wird und beispielsweise die Briefmarken ausgehen oder die Leasingrate für den Kopierer nicht mehr bezahlt werden kann. Bis die Bewilligungsbescheide vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGuS) für das laufende Geschäftsjahr vorliegen, müssen die Träger der Beratungsstellen in der Regel in Vorkasse treten. Wird dann auch noch weniger bewilligt, als die Förderrichtlinie eigentlich vorsieht, wie im vergangenen Jahr 2014 geschehen, drohen zur Mitte des Jahres die Kündigungen der Beratungsfachkräfte und die Schließung der Einrichtungen zum Jahresende. Im Jahr 2014 waren es mindestens drei Beratungsstellen, die aus diesem Grund bereits zur Jahresmitte keine Ratsuchenden mehr aufnehmen konnten. Die von Überschuldung Betroffenen werden durch diese Umstände regelrecht in die Arme unseriöser Geschäftemacher getrieben, die deren Notlagen für ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen zu nutzen wissen.

Beratungsfachkräfte stoßen an ihre Grenzen

Die Situation geht an den Beratungsfachkräften selbst ebenfalls nicht spurlos vorbei. Schuldnerberater arbeiten in engem Kontakt mit materiell, sozial und psychisch außerordentlich stark belasteten Menschen.1 Sie stellen sich dieser Aufgabe täglich mit großem Engagement. Die Beratungsfachkräfte in M-V sehen sich aber darüber hinaus in der bedrückenden Lage, wachsende Anteile ihrer Arbeitszeit darauf verwenden zu müssen, ihren eigenen Arbeitsplatz zu sichern, indem sie den Eigenanteil an der Finanzierung durch Spenden beizutreiben versuchen oder auf kommunaler Ebene und Landesebene um eine Weiterfinanzierung kämpfen müssen. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass die Belastbarkeit der Kolleginnen und Kollegen in der Schuldner- und Insolvenzberatung, wie in anderen „Helferberufen“ nicht anders, ihre natürlichen Grenzen hat, so der Vorstand der LAGSB. An dieser Stelle sei an eine Mitarbeiter-Studie erinnert, die im Jahre 2006 an 104 Schuldnerberatern in 52 verschiedenen Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Rheinland-Pfalz vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz durchgeführt wurde. Sie ergab, dass 41,3 % der Befragten hohe Werte für die Burnout-Komponente „emotionale Erschöpfung“ aufwiesen. 66,7 % aller Teilnehmer gaben an, derzeit körperliche oder seelische gesundheitliche Probleme zu haben. 15,1 % gaben sogar an, aktuell in einem schlechten oder sehr schlechten gesundheitlichen Zustand zu sein. Außerdem scheint das Depressionsrisiko unter Schuldnerberatern im Vergleich mit der Normalbevölkerung erhöht zu sein. So wurden 12,1 % „ der Berater anhand des eingesetzten Screening-Instrumentes phq2 als depressiv klassifiziert. 75,8 % der Schuldnerberater waren der Ansicht, dass ihre Gesundheit durch ihre Arbeit beeinträchtigt wird. Die häufigsten durch die Arbeit hervorgerufenen Gesundheitsprobleme sind laut den Studienteilnehmern Stress (81 %), Rückenschmerzen (69,7 %), allgemeine Erschöpfung (64,6%), Kopfschmerzen (53,8%) und Reizbarkeit (52,4%).

Zeit für Ratsuchende wird knapp

In jeder dritten Beratungsstelle in M-V fehlte im Jahr 2014 Fachpersonal u.a. wegen schwerer Erkrankungen von Kolleginnen und Kollegen über einen Zeitraum von mehreren Monaten. Ausgebildete Beratungsfachkräfte stehen auf dem Arbeitsmarkt für einen solchen Fall dagegen nur selten zur Verfügung. Im Falle einer langfristigen Krankheitsvertretung oder Neubesetzung von offenen Stellen benötigen neue MitarbeiterInnen Monate, um sich in alle ihnen zur Betreuung und Bearbeitung hinterlassenen Fälle einarbeiten zu können. Durch Umzüge (drei Beratungsstellen), die teilweise erfolgten, um weitere Kosten einzusparen, wie es in Schwerin der Fall gewesen ist, geht zusätzlich kostbare Zeit verloren, die in der Arbeit mit den Ratsuchenden jedoch dringend benötigt wird. Im vergangenen Jahr 2014 verblieben den Beratungsfachkräften in M-V für fallbezogene Arbeit mit den Klienten durchschnittlich lediglich 5,7 Arbeitsstunden im Jahr je Fall.

Anzahl der Verbraucherinsolvenzen in M-V gestiegen

Die Kolleginnen und Kollegen in den Beratungsstellen reagieren zusehends mit Unverständnis darauf, wenn sinkende Fallzahlen in diesem Zusammenhang auch noch als sinkender Bedarf fehlinterpretiert werden, wie in der Vergangenheit mehrfach geschehen. Ein positiver Trend für Mecklenburg-Vorpommern, so wünschenswert er wäre, ist derzeit leider nicht erkennbar. Diese Einschätzung wird mit den Wirtschaftsauskunfteien Creditreform und Bürgel sowie der SCHUFAHOLDING- AG geteilt. 2014 stieg die Zahl der Verbraucherinsolvenzen in M-V gegenüber dem Vorjahr um 4,7 Prozent.

Das Land Mecklenburg-Vorpommern spart durch die Tätigkeit der anerkannten geeigneten Schuldnerberatungsstellen allein im Bereich der Beratungshilfe und Verfahrenskostenstundungen für Insolvenzverfahren jährlich bis zum Dreifachen der eingesetzten Fördermittel. In einem gemeinsamen Positionspapier der LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Mecklenburg-Vorpommern e.V. und der LAG-SB M/V e.V. „Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatungsstellen in Not“ wurde im Jahr 2014 die prekäre Finanzierungssituation in M-V ausführlich dargelegt und die Notwendigkeit einer neuen Förderrichtlinie hervorgehoben sowie ein konkreter Finanzierungsvorschlag diesbezüglich unterbreitet.4 Unter anderem wird darin vorgeschlagen, das Sparkassengesetz nach dem Vorbild Nordrhein-Westfalens oder Rheinland-Pfalz zu ändern, in denen eine Mitfinanzierung der Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatungsstellen geregelt ist. Mehrausgaben für das Land M-V oder die Kommunen ließen sich auf diese Weise weitestgehend vermeiden.

Ministerin im Wort

Die Sozialministerin Mecklenburg-Vorpommerns, Birgit Hesse, lobte anlässlich des 20jährigen Jubiläums der LAG-SB im September letzten Jahres die Rolle der Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatungsstellen im Land und versprach die finanzielle Situation der Beratungsstellen, insbesondere im Sachkostenbereich, mit Blick auf die nächsten Doppelhaushalte des Landes verbessern zu wollen. Der Vorstand der LAG-SB M/V e.V. sieht die Ministerin daher im Wort. Jetzt ist es an der Zeit, den Ankündigungen auch Taten folgen zu lassen, so Cornelia Zorn, Vorstandsvorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung M/V e.V..

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