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Jürgen Grässlin: Erfolgreich gegen Waffen – Lesung und Diskussion

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Schwerin – Am Montag den 31. Oktober liest Jürgen Grässlin, einer der gefragtesten Rüstungsexperten in Deutschland um 18:30 Uhr im Schleswig-Holstein Haus, Puschkinstraße 12 aus seinen Veröffentlichungen. Grässlin kommt im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Entwicklungspolitische Tage“ und auf Einladung des Rostocker Vereins Ökohaus und der Friedrich Ebert Stiftung nach Schwerin.

"Auch Mecklenburg-Vopommern ist an fragwürdigen Waffengeschäften beteiligt. So baut die Peenwerft in Wolgast bis zu 146 Patrouillenboote für Saudi-Arabien. Wir erwarten, dass aus unserem Bundesland keinerlei Kriegsgüter in Staaten exportiert werden, von denen Menschenrechtsverletzungen und völkerrechtswidrige Kriegshandlungen ausgehen“, sagt Alexis Schwartz vom Ökohaus Rostock über seine Motivation, die Ergebnisse von Grässlins Recherchen hierzulande bekannter zu machen.

In seinen Büchern beschreibt Grässlin den Aufstieg der Bundesrepublik zum drittgrößten Rüstungsexporteur der Welt und die Verwicklungen von Rüstungsindustrie und Kontrollbehörden bei illegalem Waffenhandel. Beliefert werden auch menschenrechtsverletzende Staaten in Mittelamerika, Nordafrika und im Nahen Osten.

Angesichts der großen Zahl an Geflüchteten aus diesen Regionen bekommt dies noch zusätzlich Brisanz. Welche Folgen hat all das für die Menschen in Ländern des globalen Südens und wo sind Handlungsspielräume in unserer Zivilgesellschaft? Unter anderem um diese Fragen soll es auch in der anschließenden Diskussion gehen.

Jürgen Grässlin, 59 Jahre alt, beobachtet seit Jahrzehnten den deutschen Waffenhandel. Für sein Engagement wurde er mit dem Aachener Friedenspreis, dem Grimme-Preis und zuletzt in diesem Jahr mit dem Stuttgarter Friedenspreis ausgezeichnet.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung ist die älteste politische Stiftung in Deutschland. Sie ist der sozialen Demokratie verpflichtet. Das Landesbüro bietet politische Bildung in Mecklenburg-Vorpommern an.

Der Verein Ökohaus fördert mit Bildungsangeboten die Auseinandersetzung mit einer global gerechten und nachhaltigen Lebensweise.

Krieg_Frieden ist das Motto der 16. Entwicklungspolitischen Tage, einem Gemeinschaftswerk von 52 Initiativen in ganz Mecklenburg- Vorpommern. Vom 1. bis 22. November geht es in diesem Jahr um die Kriege und der Welt. Und um die Suche nach Frieden.  84  Veranstaltungen an 17 Orten eröffnen Zugänge zu komplexen, globalen Fragen. Was können wir ausrichten? Hier? Und weltweit? Die Entwicklungspolitischen Tage wollen helfen, Wege aus der Ohnmacht zu finden und Mut machen, sich einzumischen. Sie sind eine der größten Veranstaltungsreihen in Mecklenburg-Vorpommern.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der Kirchliche Entwicklungsdienst der Nordkirche, die Norddeutsche Stiftung für Umwelt und Entwicklung und die Stiftung Nord-Süd-Brücken finanzieren die Entwicklungspolitischen Tage 2016.

Mehr unter: www.eine-welt-mv.de/ep-tage/

„Waffenhandel ist die tödlichste Form der Wirtschafts-, Außen- und Sicherheitspolitik“

Herr Grässlin, in diesen Wochen lesen Sie im Rahmen der Entwicklungspolitischen Tage in Schwerin, Neustrelitz, Rostock aus ihren aktuellen Büchern. Die Entwicklungspolitischen Tage stehen unter dem Motto: Krieg_Frieden – was haben wir überhaupt mit dem Krieg zu tun?

„Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.“ Diese Schlüsselaussage von Paul Celan in seinem Gedicht „Die Todesfuge“ zu den Schrecken des Zweiten Weltkriegs gilt – in anderer Form – leider noch immer. Heutzutage werden deutsche Kriegswaffen mit Zustimmung der Bundesregierung in kriegführende Staaten, in menschenrechtsverletzende Staaten, sogar in astreine Diktaturen verkauft. Wir sind weltweit die Nummer drei bei den Kleinwaffenexporten, die Nummer fünf bei Großwaffensystemen. Die Folgen sind desaströs: Waffenhandel ist die tödlichste Form der deutschen Wirtschafts-, Außen- und Sicherheitspolitik. Wohlgemerkt tödlicher als jeder Auslandseinsatz der Bundeswehr.

Seit Mitte der 1980er Jahr recherchieren Sie zu Rüstungsexporten deutscher Firmen. Wo bekommen Sie ihre Informationen her?

Viele Infos, zum Beispiel die offiziellen Statistiken zu Rüstungsexporten sind öffentlich. Zudem werten wir beim Freiburger RüstungsInformationsBüro die nationale wie internationale Fachpresse aus. Und wir haben auch Kontakt zu Whistleblowern, die vertraulich Firmengeheimnisse weitergeben, weil sie Gesetzesverstöße mitbekommen und dazu nicht schweigen wollen.

In Ihrem aktuellen Buch „Netzwerk des Todes“ zeigen Sie die Verstrickung deutscher Behörden mit der Waffenindustrie auf, die den gesetzeswidrigen Export tausender G36-Sturmgewehre nach Mexiko ermöglichte.

Ja, das war ein bedrückender Erkenntnisprozess. Für einen Demokraten sind derartige Machenschaften kaum zu ertragen. Ich musste einsehen, dass ich nicht nur gegen die Waffenindustrie, sondern auch gegen Regierungspolitiker und Teile der deutschen Justiz kämpfe. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart, der wir umfangreich Material übergeben haben, hat sich geweigert, gegen die Behörden zu ermitteln – trotz eindeutiger Beweislage. Stattdessen wurden Ermittlungen gegen uns Autoren eingeleitet, da wir vertrauliches Material im Netzwerk-des-Todes-Buch, im Spielfilm „Meister des Todes“  und im dazugehörigen Dokumentarfilm „Wie das G36 nach Mexiko kam“ auszugsweise verwenden haben. Dabei handelt es sich um genau das Material, das der Stuttgarter Staatsanwaltschaft übergeben haben.

Sie geben der Staatsanwaltschaft Dokumente und daraufhin wird gegen Sie ermittelt?

Sechs Millionen Zuschauer haben die Filme in der ARD gesehen, die Staatsanwaltschaft klagt auf der Basis unserer Informationen sechs ehemalige Heckler & Koch-Mitarbeiter, wir bekommen im Frühjahr 2016 den renommierten Grimme-Preis. Zur Belohnung für unsere Unterstützung ermittelt die Staatsanwaltschaft jetzt gegen uns – ist das nicht absurd? Aber wir werden auch diesen Prozess gewinnen.

Sie haben letztlich alle Ihre Gerichtsprozesse gewonnen, auch gegen Daimler und dessen langjährigen Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp – nachdem es zwischenzeitlich so aussah, als würden sie auf 90.000,- Euro Prozesskosten sitzen bleiben. Gibt es da nicht auch einen Punkt, an dem man aufgeben will?

Zum Glück bin ich ein lebensfroher Mensch, der so agieren kann, wie er agiert, weil Familie, Freunde und politisches Umfeld geschlossen hinter mir stehen. Dennoch gab es angesichts der konzernfreundlichen Entscheidungen der Hamburger Justiz tatsächlich den Punkt, an dem ich meine Frau Eva gefragt habe, ob wir angesichts der immens hohen Prozesskosten wirklich weiter machen wollen. Ich bin Lehrer von Beruf, die Kosten überstiegen damals unsere Möglichkeiten. Dank der Hilfe von Freunden und einem großen Netzwerk konnten wir die Prozesse stemmen. Für meine Frau war das Weitermachen keine Frage. Sie wundere sich, dass ich das Prozesskostenrisiko überhaupt diskutieren wollte.

Final habe ich 2009 vor dem Bundesgerichtshof gegen Schrempp und den Daimler-Konzern gewonnen. Noch gilt die grundgesetzlich verbriefte Meinungsfreiheit in Deutschland. Im Übrigen hat sich seither alles verkehrt. Ich klage derzeit gegen H&K, Sig Sauer und Carl Walther wegen des Verdachts illegaler Waffentransfers.

Heckler & Koch wehrt sich aber.

Der Gegenschlag zielt ins Leere. Vor Monaten hat mir H&K eine Unterlassungsverfügung geschickt. Ich dürfe nicht mehr behaupten, dass im Durchschnitt alle 14 Minuten ein Mensch durch eine Waffe von Heckler & Koch stirbt. Ich habe zurückgeschrieben, dass aufgrund der neu im Markt implementierten Waffengeneration mittlerweile durchschnittlich alle 13 Minuten sein Leben verliere. Der kommende Prozess wird spannend – ich werde die ARD, ZDF und den SPIEGEL mitbringen. Allerdings hat H&K seither nichts mehr von sich hören lassen. Wahrscheinlich scheut das Unternehmen die öffentliche Diskussion um die immens hohe Zahl von H&K-Opfern.

Was wird die wichtigste Botschaft ihrer Buchpräsentationen sein?

Ich glaube, dass viele Menschen meine Desillusionierung bezüglich der Politik und der Behörden teilen. Sie fühlen sich durch die Regierungs- und Konzernpolitik nicht gut vertreten. Die Wahlergebnisse, bei uns in Baden-Württemberg und bei euch in Mecklenburg-Vorpommern spiegeln das klar wider. Manche Leute wünschen sich sogar eine starke Hand und wählen AfD – das ist fatal. Ich würde gerne einen anderen Weg aufzeigen: Unsere aktuelle Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ wird mittlerweile von über hundert Organisationen  in Deutschland unterstützt. Das ist ein einzigartig breites Bündnis der Friedens-, Entwicklungs- und Menschenrechtsbewegung, der beiden großen christlichen Kirche und humanitärer Hilfswerke.

Wir brauchen gesteigerten öffentlichen Druck zum Stopp von Rüstungsexporten. Eine repräsentative EMNID-Umfrage vom Januar diesen Jahres belegt einen ersten großen Erfolg: 83 Prozent der Deutschen sind mittlerweile für einen völligen Stopp des Waffenhandels. Wir werden das Thema aktiv in den nächsten Wahlkampf 2017 bringen.

Ich möchte den Menschen gerne Mut machen und sie bitten: Bringt euch ein, engagiert euch in der sozialen Bewegung – wir kämpfen gewaltfrei für eine friedlichere und gerechtere Welt. Und das mit erfreulichen Erfolgen!

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