- Anzeige -

Nimmt Landesregierung Schließung der Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt in Kauf? 

Kein zusätzliches Personal trotz dramatisch gestiegenem Beratungsbedarf

- Anzeige -

Schwerin – Eine Frau liegt am Boden, krümmt sich vor Schmerzen und ihre Kinder stehen daneben. Die Mutter wurde Opfer häuslicher Gewalt. Ob sie danach Unterstützung und Beratung erhalten wird, ist unsicherer denn je – obwohl sie jetzt und schnell Sicherheit benötigt! Der Fall ist fiktiv, doch die Folgen real: Die Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt und Stalking in M-V sind vollkommen überlastet. Es gibt viel zu hohe Fallzahlen, bei viel zu wenig Personal! Das soll laut Haushaltsbeschluss der Landesregierung auch in den nächsten zwei Jahren so bleiben. Dringend benötigte zusätzliche Beraterinnen sind trotz dramatischer Überlastungsanzeigen nicht eingeplant. Hoffnungen sind zerstört – für die Betroffenen und die Interventionsstellen. Wie lange geht das gut? 

„Wem durch qualitative Beratungen geholfen werden kann, verkommt zu einem Glücksspiel, bei dem die Politik zuschaut“, sagt AWO-Bereichsleiter Steffen Marquardt, der mit Sorge auch auf die anderen Interventionsstellen des Landes schaut, die ähnliche Probleme haben. Stiegen doch die landesweiten Fallzahlen im letzten Jahr um 22 Prozent auf 3.411 im Jahr 2023, bei einer noch immer hohen Dunkelziffer! Dennoch ist die Situation in der Landeshauptstadt und in der Hansestadt Rostock besonders schlimm. Die Zahl der Fälle von häuslicher Gewalt und Stalking in der Interventionsstelle Rostock hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt und in Schwerin fast verdreifacht, hier auf über 1.100 Fälle. Nicht verändert hat sich dagegen die Anzahl der durch das Land finanzierten Beraterinnen, was zur dramatischen Situation in den Interventionsstellen geführt hat. 

„In jeder der fünf Interventionsstellen im Land bieten zwei Beraterinnen Betroffenen von häuslicher Gewalt nach einem Polizeieinsatz Unterstützung zum Schutz vor weiterer Gewalt. „Letztes Jahr hätten in Rostock unsere beiden Kolleginnen 890 Betroffene unterstützen sollen. Tatsächlich konnten nur 613 Betroffene beraten werden“, so Ulrike Bartel, Geschäftsführerin von STARK MACHEN e.V. Die übrigen Betroffenen konnten kein Beratungsangebot erhalten. Besonders aufwendig ist die Arbeit in sogenannten Hochrisikofällen*. In Rostock haben sich diese zum Vorjahr auf 157 Fälle verdreifacht. Diese haben absoluten Vorrang. Aber sie erfordern viel Kommunikation mit Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendamt. Zeit, die die Interventionsstellen nicht haben. 

„Ende des vergangenen Jahres hatten wir nach endlosen Gesprächen mit der Politik noch die Hoffnung, dass das Land bei der Verabschiedung des Doppelhaushaltes den finanziellen Mehrbedarf für zusätzliches Personal in den Interventionsstellen einplant. Diese Hoffnung ist leider enttäuscht worden“, sagt Axel Mielke, Geschäftsführer der AWO Schwerin. „Das beispielsweise die Zahlen der Hochrisikofälle steigen, liegt in der Logik dieser Negativschleife. Viele Betroffene, die kein adäquates Beratungsangebot erhalten können, geraten deutlich häufiger wieder erneut in die Gewaltspirale, in der sich das Risiko lebensbedrohlich erhöht. Zukünftig werden wir uns als Konsequenz der Entwicklungen aber nur noch um die Hochrisikofälle kümmern können.“ 

„Professionelle Beratung darf bei diesem Thema nicht auf dem Niveau eines Callcenters landen und unsere Mitarbeiterinnen nicht in die Entscheidungssituation einer Triage drängen“, so AWO-Bereichsleiter Steffen Marquardt. Sein Fazit lautet: „Der Gesetzgeber beauftragt uns, Betroffenen von häuslicher Gewalt und Stalking unverzüglich professionelle Hilfe anzubieten – gleichzeitig bekommen wir immer mehr Aufgaben, die mit dem viel zu geringem Personal nicht zu stemmen sind. Es gibt bei dramatisch gestiegenen Fallzahlen einen drastischen Widerspruch zwischen dem, was gesetzlich gewollt ist und politisch schließlich umgesetzt wird. Nach dem für uns enttäuschenden Haushaltsbeschluss des Landes stellen wir uns als Träger die Frage, ob dies so noch weiter zu verantworten ist, für die Betroffenen und für unsere Mitarbeiterinnen“, beklagt Steffen Marquardt. „Bleibt es bei der derzeit angespannten Situation, verlieren wir unsere aktuellen Mitarbeiterinnen, die unter diesem enormen Druck nicht mehr arbeiten können. Sie wollen nicht verantwortlich sein, dass es zu Femiziden kommt, weil sie den Betroffenen, zu über 80 Prozent Frauen, nicht rechtzeitig zur Seite standen“, so Ulrike Bartel. „Damit dies nicht passiert, und die Interventionsstellen nicht gänzlich schließen müssen, benötigen Rostock und Schwerin jeweils zwei zusätzliche landesfinanzierte Mitarbeiterinnen“, formuliert Axel Mielke klar und deutlich. 

- Anzeige -

Neueste Nachrichten

- Anzeige -

weitere Meldungen

- Advertisement -